Gesetzliche Personalbemessung in der stationären Altenpflege : Gutachterliche Stellungnahme für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Minimum staffing requirements in nursing homes
- Die Anforderungen an die stationäre Pflege in Pflegeheimen haben sich in der jüngeren Vergangenheit massiv verschärft. Zudem wird die Zahl der Pflegebedürftigen mit stationärem Versorgungbedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch weiter deutlich zunehmen. In der Vergangenheit konnte ein bescheidener Personalaufwuchs den gestiegenen Pflegebedarf nur teilweise kompensieren. Die verschlechterten Betreuungsrelationen und die moderat gesunkene Fachkraftquote weisen auf steigende Belastungen für die Beschäftigten und Gefahren für die Pflegequalität in Pflegeheimen hin. Die Empirie aus den USA zu den Auswirkungen gesetzlicher Personalbemessung zeigt, dass positive Effekte auf die Pflegequalität vor allem durch die Neueinstellung von Pflegefachkräften entstehen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Einrichtungen zur Erfüllung der Mindeststandards in die Neueinstellung von Pflegehilfskräften investieren. Die Entwicklung der Mindeststandards zur Personalbemessung in den USA ist aus deutscher Sicht insofern vorbildhaft, als dass zumindest die Empfehlungen auf der vorliegenden Evidenz und auf der Basis umfangreichen Datenmaterials zum Zusammenhang von Personalausstattung und Pflegequalität beruhen. Die Mindeststandards in den einzelnen Bundesstaaten liegen teilweise deutlich unter diesen Empfehlungen – was durch politische und finanzielle Restriktionen erklärbar sein dürfte. Grundsätzlich es zu begrüßen, dass mit dem PSG II der Gesetzgeber in Deutschland erstmals die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen normiert. Die derzeitigen Reglungen sind in diesem Zusammenhang völlig ungenügend. Alleine die Entwicklung eines wissenschaftlich validierten Verfahrens zur Personalbemessung wird jedoch weder die Personalausstattung in den Einrichtungen erhöhen noch die Pflegequalität verbessern. Dazu müssten erstens die zuständigen Behörden in den Bundesländern dazu verpflichtet werden, die Einhaltung des postulierten Personalbedarfs zu überprüfen und ggf. auch zu sanktionieren. Zweitens müssten verschärfte Standards in der Personalbemessung daher hinreichend Berücksichtigung in den Pflegesatzverhandlungen zwischen Einrichtungen und Kostenträgern finden. Drittens ist die Einheitlichkeit der Umsetzung in den Bundesländern eine wichtige Voraussetzung für die Festlegung von Mindeststandards zur Personalbemessung, um einen sachlich nicht zu rechtfertigenden „Flickenteppich“ von landesgesetzlichen Reglungen zu verhindern. Ausgesprochen problematisch ist aus gutachterlicher Sicht jedoch, dass selbst bei einem fristgerechten Abschluss des Verfahrens ein System zur Personalbemessung erst am 30. Juni 2020 vorliegen wird. Dieser lange Übergangszeitraum ist vor dem Hintergrund der Personalsituation in den Pflegeeinrichtungen, der damit verbundenen Belastungen für die Pflegekräfte und der resultierenden Gefährdung der Pflegequalität nicht akzeptabel. Daher wird vorgeschlagen, dass der mit dem Pflegestärkungsgesetz I eingerichtete Pflegevorsorgefonds in einen Pflegepersonalfonds umgewidmet wird. Der Pflegepersonalfonds übernimmt im Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2020 die Finanzierung für nachweisbar nach dem 1. Januar 2016 neu eingestelltes Personal in der direkten Pflege in stationären Pflegeeinrichtungen. Die Einrichtung des Pflegepersonalfonds würde ein deutliches Signal senden, dass der Finanzierung einer hinreichenden Personalausstattung in Pflegeheimen eine hohe gesellschaftliche Priorität zukommt, was wiederum einen positiven Effekt auf die Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe mit sich bringen dürfte. Zudem würden die Träger von Pflegeeinrichtungen finanziellen Spielraum gewinnen, um eine ohnehin dringend notwendige Verbesserung der Gehälter in der stationären Pflege finanzieren zu können.
Author: | Stefan Greß, Klaus Stegmüller |
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URN: | urn:nbn:de:hebis:66-opus4-3685 |
Series (Serial Number): | pg-papers : Diskussionspapiere aus dem Fachbereich Pflege und Gesundheit (2016,1) |
Document Type: | Working Paper |
Language: | German |
Date of Publication (online): | 2016/02/14 |
Publishing Institution: | Hochschule Fulda |
Release Date: | 2016/02/15 |
Tag: | Personalbemessung; Pflegequalität Quality of Care; minimum staffing requirements; nurse staffing |
GND Keyword: | Stationäre Altenpflege |
Pagenumber: | 36 |
Licence (German): | Einfaches Nutzungsrecht |