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Hintergrund: Das Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) hat in den letzten Jahren in Forschung und Praxis großen Aufschwung im deutschsprachigen Raum bekommen. Lange Zeit lag der Fokus auf der „persönlichen Gesundheitskompetenz“ – also den individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen.
Mittlerweile richtet sich der Blick zunehmend auf die Anforderungen, Komplexität und Rahmenbedingungen von Organisationen, Lebenswelten und Settings, in denen Menschen aufwachsen, leben und arbeiten. Die Rahmenbedingungen, Anforderungen und die Komplexität von Organisationen sollen möglichst so gestaltet werden, dass sich Nutzende (u. a. Patient*innen, Gesundheitsfachberufe bzw. Fachpersonen) gesundheitskompetent verhalten können. Damit wird die Verantwortung bei den Organisationen und Lebenswelten sowie den dort agierenden Akteuren gesehen.
Inwieweit sich Nutzende gesundheitskompetent verhalten können, ist maßgeblich von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen abhängig. Entscheidend ist auch die Bereitschaft und Fähigkeit der dort tätigen Akteure (z. B. Leitungspersonal, Gesundheitsfachberufe), Strukturen und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie die GK ihrer Patient*innen und Bewohner*innen fördern können (Rathmann et al. 2024).
Ziel der vorliegenden Übersicht ist es, einen Überblick über Maßnahmen, Methoden und Techniken (d. h. „Tools“) zur Stärkung der OGK in verschiedenen Standards bzw. Handlungsfeldern der OGK bereitzustellen.
Methodik: Die vorliegende Übersicht zum Thema „Gesundheitskompetenz in und mit der Praxis entwickeln: Überblick über „Tools“ zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz“ wurde im Anschluss an das Projekt „Entwicklung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (EwiKo)“ erstellt (Rathmann/László 2024a). Um Maßnahmen, Techniken und Methoden (sog. „Tools“) zur Stärkung der OGK zu ermitteln, wurde im Rahmen des Projekts „EwiKo“ auf bereits existierende Arbeiten zurückgegriffen, die Maßnahmen (d. h. Tools bzw. Methoden und Techniken) bereitstellen.
Die Tools wurden nach den acht Standards bzw. Handlungsfeldern der OGK aufgeführt, d. h. 1) Leitbild und Einrichtungskultur, 2) Gemeinsame Entwicklung von Materialien, 3) Schulung der Mitarbeitenden zur GK, 4) Orientierung, 5) Gesundheitskompetente Kommunikation, 6) GK der Klient*innen, 7) GK der Mitarbeitenden, 8) GK in der Bevölkerung (Rathmann et al .2021a, 2021b). Daneben wurden pro Standard bzw. Handlungsfeld auch Praxisleitfäden aufgeführt, die als handlungsleitende Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Piloteinrichtungen dienen, um Maßnahmen zur Entwicklung der OGK selbstständig umzusetzen. Die Praxisleitfäden bieten Anleitung und Hilfestellung zur Umsetzung von Tools zur Stärkung der GK in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung an. Ziel ist dabei, die Vorbereitung und Umsetzung der Tools in Form einer Schritt-für-Schritt-Anleitung darzustellen.
Ergebnisse: Basierend auf einer Recherche nach Tools zur Stärkung der OGK wurden im Projekt „EwiKo“ für die Handlungsfelder 1-6 und 8 Praxisleitfäden entwickelt. Dabei wurden Tools ausgewählt, die sich in der Praxis bewährt haben bzw. die insbesondere für den Versorgungssektor als relevant erachtet wurden.
• In Praxisleitfaden 1 zum Handlungsfeld 1 „Leitbild und Einrichtungskultur“ können Einrichtungen der Gesundheitsversorgung mit dem Tool „Die verdeckte Testperson“ („Mystery Patient“) durch eine sog. „verdeckte Testperson“ Hinweise zur Qualität von (Gesundheits-)Leistungen, Informationen und Materialien zur Gesundheit aufdecken und basierend darauf, Prozesse und Abläufe optimieren.
• In Praxisleitfaden 2 zum Handlungsfeld 2 „Gemeinsame Entwicklung von Materialien“ empfehlen die Tools zunächst die Etablierung einer Arbeitsgruppe zur partizipativen Entwicklung von Informationsmaterialien mit Patient*innen, Bewohner*innen, Klient*innen. Anschließend werden gemeinsam Schlüsselthemen identifiziert, Materialien entwickelt und durch Patient*innen, Bewohner*innen, Klient*innen angewendet und erprobt.
• In Praxisleitfaden 3 zum Handlungsfeld 3 „Schulung der Mitarbeitenden zur GK“ werden Tools zur Förderung der GK von Führungs- und Leitungspersonen bereitgestellt, wie u. a. „Red Flags“ („Warnsignale“), Präsentationsfolien zur GK, Wissensquiz über GK.
• Um die Erreichbarkeit von und Orientierung innerhalb von Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zu erleichtern, erweist sich das „Walking Interview“ (dt. „Rundgang-Gespräch“) im Praxisleitfaden 4 zum Handlungsfeld 4 „Orientierung“ als hilfreich.
• In Praxisleitfaden 5 zum Handlungsfeld 5 „Gesundheitskompetente Kommunikation“ unterstützt u. a. das Tool „Teach back“ („Zurückerklären“) medizinische Fachpersonen bei der gesundheitskompetenten und verständlichen Gesprächsführung mit Patient*innen, Bewohner*innen und Klient*innen.
• Die gesundheitskompetente Kommunikation von Patient*innen sowie Bewohner*innen und deren Angehörigen wird in Praxisleitfaden 6 für das Handlungsfeld 6 „GK der Patient*innen bzw. Bewohner*innen“ adressiert. Darin stehen bewährte Tools wie „Ask Me Three“ (dt. „Zu drei Fragen ermutigen“) und „Questions are the Answer“ (dt. „Fragen sind die Antwort“) im Fokus.
• Für das Handlungsfeld 7 „GK der Mitarbeitenden“ wurde auf die Materialien zur Gesundheitserhaltung und -prävention des wissenschaftlich fundierten Projekts PENELOPE (AOK PLUS und TU Dresden) zurückgegriffen.
• Um zur GK der Bevölkerung beizutragen, eignen sich sog. „Patienten-Informations-Zentren (PIZ)“, die in Praxisleitfaden 8 zum Handlungsfeld 8 „GK in der Bevölkerung“ beschrieben werden.
Entlang der „Schritt-für-Schritt-Anleitung – in sieben Schritten zur gesundheitskompetenten Einrichtung“ (Rathmann et al. 2023) erfolgt die Umsetzung der Tools bedarfsspezifisch und handlungsleitend in den Einrichtungen aufgrund von „Checklisten“, „Handzetteln“, „Vorlagen“, Erklärvideos, Fallbeispielen und weiteren Unterstützungsmaterialien, die mit Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erprobt und evaluiert wurden.
Schlussfolgerung: Im Rahmen des Projekts „EwiKo“ sind zahlreiche praxisanleitende Materialien – d. h. Toolboxen, eine digitale Tool-Datenbank, fünf Selbstchecks, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Übersichten und Praxisleitfäden – für die Entwicklung und Förderung der OGK in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung entstanden. Die Toolboxen und Selbstchecks zur Erfassung der OGK im Krankenhaus, Einrichtungen der (Alten-)Pflege und Eingliederungshilfe (im Bereich Wohnen und Arbeiten/Werkstätten für Menschen mit Behinderung/WfbM) sowie in Leichter Sprache sind nun verfügbar: https://fuldok.hs-fulda.de/1066. Die Schritt-für-Schritt-Anleitung und Praxisleitfäden zur Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der OGK entlang der acht OGK-Standards sollen Gesundheitseinrichtungen und den dortigen Fach- und Leitungspersonen bei der leichten Anwendung behilflich sein.
Das Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) hat in den letzten Jahren in Forschung und Praxis großen Aufschwung im deutschsprachigen Raum bekommen. Lange Zeit lag der Fokus auf der „persönlichen Gesundheitskompetenz“ – also den individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen.
Mittlerweile richtet sich der Blick zunehmend auf die Anforderungen, Komplexität und Rahmenbedingungen von Organisationen, Lebenswelten und Settings, in denen Menschen aufwachsen, leben und arbeiten. Die Rahmenbedingungen, Anforderungen und die Komplexität von Organisationen sollen möglichst so gestaltet werden, dass sich Nutzende (u. a. Patient*innen, Gesundheitsfachberufe bzw. Fachpersonen) gesundheitskompetent verhalten können. Damit wird die Verantwortung bei den Organisationen und Lebenswelten sowie den dort agierenden Akteuren gesehen.
Inwieweit sich Nutzende gesundheitskompetent verhalten können, ist maßgeblich von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen abhängig. Entscheidend ist auch die Bereitschaft und Fähigkeit der dort tätigen Akteure (z. B. Leitungspersonal, Gesundheitsfachberufe), Strukturen und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie die GK ihrer Patient*innen und Bewohner*innen fördern können (Rathmann et al. 2024). Ziel der Übersicht ist es, die Merkmale von fünf ausgewählten Konzepten der OGK aufzuführen, um Forscher*innen, Studierenden und Praktiker*innen einen Anhaltspunkt zu liefern.
Die „Übersicht über Konzepte und Merkmale der organisationalen Gesundheitskompetenz“ basiert auf einer Literaturrecherche (Zelf/Rathmann 2023, Rathmann et al. 2023), die in elektronischen Datenbanken (CINAHL, EMBASE, PubMed, PsycInfo) sowie durch Handrecherche in thematisch relevanten deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften durchgeführt wurde. Die vorliegende Übersicht dient als Orientierungshilfe, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Insgesamt werden in dieser Übersicht fünf Konzepte der OGK vorgestellt (ohne Gewähr auf Vollständigkeit). Die Übersicht verdeutlicht, dass verschiedene Bezeichnungen für die Bereiche der OGK verwendet werden: „Merkmale“ (Brach et al. 2012), „Standards“ (Dietscher et al. 2015, Working Group HPH & HLO 2019), „Handlungsfelder“ (Rathmann et al. 2021a, 2021b). Auch die Anzahl der Standards der OGK variiert zwischen den Konzepten. Während Brach et al. (2012) zehn Merkmale gesundheitskompetenter Gesundheitsversorgungsorganisationen herausgearbeitet haben, haben Kowalski et al. (2015) ein Selbstbewertungsinstrument mit zehn Items entwickelt zur Messung der OGK in Krankenhäusern, basierend auf den zehn Merkmalen gesundheitskompetenter Krankenversorgungsorganisationen nach Brach et al. (2012). Dietscher et al. (2015) haben das „Wiener Konzept Gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen (WKGKKO-I)“ sowie ein Instrument mit neun Standards der OGK, 22 Substandards und 160 Items herausgearbeitet. In Anlehnung an das Konzept „WKGKKO-I“ hat die internationale Arbeitsgruppe „Health Promoting Hospitals & Health Literate Healthcare Organizations“ (Working Group HPH & HLO 2019) das Selbstbewertungsinstrument „Self-Assessment Tool for Organizational Health Literacy (SAT-OHL)“ für gesundheitskompetente Krankenhäuser mit acht Standards der OGK, 21 Substandards und 155 Items herausgearbeitet. Rathmann und Kolleg*innen erarbeiteten fünf Selbstbewertungsinstrumente (Selbstchecks) mit acht Standards bzw. Handlungsfeldern der OGK, 21 Substandards und 81-93 Items für verschiedene Einrichtungsarten der Gesundheitsversorgung (d. h. Krankenhäuser, Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe sowie in Leichter Sprache) (László/Spatzier/Rathmann 2024, Rathmann et al. 2021a, 2021b). Aufgrund der Erfahrungen mit Praxiseinrichtungen, insbesondere in der Pflege, wurde die Bezeichnung „Standards“ durch „Handlungsfelder“ ersetzt, um Verwechslungen mit den „Pflegestandards“ zu vermeiden (Rathmann/László 2024).
Hintergrund: Das Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) hat in den letzten Jahren in Forschung und Praxis großen Aufschwung im deutschsprachigen Raum bekommen. Lange Zeit lag der Fokus auf der „persönlichen Gesundheitskompetenz“ – also den individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen.
Mittlerweile richtet sich der Blick zunehmend auf die Anforderungen, Komplexität und Rahmenbedingungen von Organisationen, Lebenswelten und Settings, in denen Menschen aufwachsen, leben und arbeiten. Die Rahmenbedingungen, Anforderungen und die Komplexität von Organisationen sollen möglichst so gestaltet werden, dass sich Nutzende (u. a. Patient*innen, Gesundheitsfachberufe bzw. Fachpersonen) gesundheitskompetent verhalten können. Damit wird die Verantwortung bei den Organisationen und Lebenswelten sowie den dort agierenden Akteuren gesehen.
Inwieweit sich Nutzende gesundheitskompetent verhalten können, ist maßgeblich von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen abhängig. Entscheidend ist auch die Bereitschaft und Fähigkeit der dort tätigen Akteure (z. B. Leitungspersonal, Gesundheitsfachberufe), Strukturen und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie die GK ihrer Patient*innen und Bewohner*innen fördern können (Rathmann et al. 2024). Ziel der Übersicht ist es, Instrumente zur Messung der OGK aufzuführen, die international und national in verschiedenen Einrichtungsarten der Gesundheitsversorgung verwendet werden.
Methodik: Die „Übersicht über Instrumente zur Messung der organisationalen Gesundheitskompetenz“ basiert auf einer Literaturrecherche (Zelf/Rathmann 2023, Rathmann et al. 2023f), die in elektronischen Datenbanken (CINAHL, EMBASE, PubMed, PsycInfo) sowie durch Handrecherche in thematisch relevanten deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften durchgeführt wurde. Die vorliegende Übersicht dient als Orientierungshilfe, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Ergebnisse: In den letzten Jahren sind zahlreiche Messinstrumente, sog. Selbstbewertungsinstrumente, zur Erfassung der OGK entstanden (De Gani et al. 2020, Klockmann et al. 2023, Rathmann et al. 2020, 2023a-e, Trezona et al. 2017).
Die Studienlage verweist darauf, dass sich die meisten Instrumente auf bestimmte Einrichtungsarten der Gesundheitsversorgung, wie z. B. Krankenhaus (Dietscher et al. 2015, Kowalski et al. 2015, Working Group HPH & HLO 2019), Arztpraxen der Primärversorgung (Altin et al. 2015, De Gani et al. 2020), Apotheken (Jacobson et al. 2007) oder Einrichtungen des kommunalen Sektors (TasCOSS 2020) beziehen. Einige Instrumente fokussieren sich auf ausgewählte Bereiche der OGK, wie z. B. auf den Bereich Kommunikation (Ernstmann et al. 2017). Andere Instrumente sind in verschiedenen Einrichtungsarten einsetzbar, wie bspw. Krankenhäuser, Apotheken, Primärversorgungspraxen und Organisationen im kommunalen Sektor (De Gani et al. 2020, Jacobson et al. 2007, Klockmann et al. 2023, TasCOSS 2020). Außerdem wurden einrichtungsspezifische Selbstbewertungsinstrumente (sog. „Selbstchecks“) für den deutschsprachigen Raum entwickelt, die zur Messung der OGK in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (d. h. Krankenhaus, Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe im Bereich „Wohnen“ und „Arbeiten“) sowie in Leichter Sprache für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung dienen und sich auf acht Standards bzw. Handlungsfelder der OGK beziehen (Rathmann et al. 2023a, 2023b, 2023c, 2023d, 2023e).
Schlussfolgerung: Zur Messung der OGK in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung existieren für den internationalen und nationalen Raum zahlreiche Selbstbewertungsinstrumente. Dabei variiert die Bezeichnung der Instrumente stark und wird, abhängig von den Entwickler*innen, von Assessment-Tool, Instrument oder vom Selbstcheck gesprochen. Instrumente zur Messung der OGK adressieren verschiedene Sektoren (stationärer und ambulanter Sektor) und verschiedene Einrichtungsarten der Gesundheitsversorgung (u. a. Krankenhaus, Apotheke, Arztpraxen, Einrichtungen der Pflege, Einrichtungen der Eingliederungshilfe). Der Großteil der aufgeführten Instrumente kommt unter Einbezug von Gesundheitsexpert*innen (d. h. Leitungs- und Fachpersonen im Gesundheitswesen) sowie Patient*innen, Bewohner*innen oder deren Angehörigen abteilungs-, berufsgruppen- und hierarchieübergreifend zum Einsatz. Nur wenige dieser Instrumente wurden bisher allerdings validiert oder in Machbarkeitsstudien getestet (Zelfl/Rathmann 2023).
Hintergrund: Das Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) hat in den letzten Jahren in Forschung und Praxis großen Aufschwung im deutschsprachigen Raum bekommen. Lange Zeit lag der Fokus auf der „persönlichen Gesundheitskompetenz“ – also den individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen.
Mittlerweile richtet sich der Blick zunehmend auf die Anforderungen, Komplexität und Rahmenbedingungen von Organisationen, Lebenswelten und Settings, in denen Menschen aufwachsen, leben und arbeiten. Die Rahmenbedingungen, Anforderungen und die Komplexität von Organisationen sollen möglichst so gestaltet werden, dass sich Nutzende (u. a. Patient*innen, Gesundheitsfachberufe bzw. Fachpersonen) gesundheitskompetent verhalten können. Damit wird die Verantwortung bei den Organisationen und Lebenswelten sowie den dort agierenden Akteuren gesehen.
Inwieweit sich Nutzende gesundheitskompetent verhalten können, ist maßgeblich von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen abhängig. Entscheidend ist auch die Bereitschaft und Fähigkeit der dort tätigen Akteure (z. B. Leitungspersonal, Gesundheitsfachberufe), Strukturen und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie die GK ihrer Patient*innen und Bewohner*innen fördern können (Rathmann et al. 2024). Ziel der Übersicht ist es, die bislang vielfach verwendeten Definitionen der OGK aufzuführen, um Forscher*innen, Studierenden und Praktiker*innen einen Überblick zu geben.
Methodik: Die Übersicht „Definitionen der organisationalen Gesundheitskompetenz“ basiert auf einer Literaturrecherche (Zelf/Rathmann 2023, Rathmann et al. 2023b), die in elektronischen Datenbanken (CINAHL, EMBASE, PubMed, PsycInfo) sowie durch Handrecherche in thematisch relevanten deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften durchgeführt wurde. Die vorliegende Übersicht dient als Orientierungshilfe, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Ergebnisse: Die meisten Definitionen der OGK beziehen sich auf die Gesundheitsversorgung und hier insbesondere auf sog. „Krankenbehandlungsorganisationen“ (Dietscher et al. 2015, Dietscher/Pelikan 2023). Neuere Definitionen beziehen sich nicht mehr nur auf die (akut-)stationäre Versorgung (im Krankenhaus), sondern auch auf den ambulanten Bereich (Trezona et al. 2017). Zahlreiche neuere Definitionen erweitern ihre Perspektive durch die Berücksichtigung um das Sozial-, Erziehungs- und Bildungssystem (Rathmann et al. 2024, Rathmann/László 2024a, Schaefer et al. 2019).
In Anlehnung an die Ergebnisse der internationalen Arbeitsgruppe „Health Promoting Hospitals & Health Literate Healthcare Organizations“ (HPH & HLO) umfasst die OGK acht Standards (Working Group HPH & HLO 2019). Beginnend mit der Implementierung der GK über alle Strukturen der Einrichtung (u. a. im Leitbild) hinweg auch die Schulung der Mitarbeitenden zur GK sowie die GK der Patient*innen bzw. Bewohner*innen oder im Bereich der patient*innenzentrierten Kommunikation kann die OGK auf den Ebenen der Organisation, der (Gesundheits-)Fachpersonen oder der Patient*innen und Bewohner*innen adressiert werden.
Aufgrund der Erfahrungen mit Praxiseinrichtungen, insbesondere im Pflegebereich, sprechen Rathmann und Kolleg*innen (2021a, 2021b) nicht mehr von „Standards“, sondern von „Handlungsfeldern“ der OGK, um Verwechslungen mit den „Pflegestandards“ zu vermeiden (László/Spatzier/Rathmann 2024, Rathmann et al. 2023a, 2023b, Rathmann/László 2024b).
Die Definitionen – so vielfältig sie sein mögen – heben insbesondere hervor, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, im Sinne des relationalen Ansatzes der OGK, Maßnahmen zur Stärkung der GK über alle Strukturen der Einrichtung hinweg umsetzen, um ihren Patient*innen, Bewohner*innen oder Angehörigen verlässliche und leicht verständliche gesundheitsbezogene Informationen verfügbar zu machen. Sie beziehen Patient*innen, Bewohner*innen oder Angehörige sowie Mitarbeitende (d. h. Leitungs- und Fachpersonen) in die Entwicklung von Dokumenten, Materialen und Dienstleistungen ein, schulen die Mitarbeitenden im Sinne der OGK im Bereich der GK, ermöglichen eine einfache Orientierung und leichten Zugang zu Angeboten, Dokumenten und Materialien, adressieren die gesundheitskompetente Kommunikation und fördern die GK von Patient*innen, Bewohner*innen oder Angehörigen, Mitarbeitende und der lokalen Bevölkerung (Brach et al. 2012, Rathmann/László 2024a, 2024b).
Schlussfolgerung: Der Überblick verweist darauf, wie vielfältig die Definitionen zur OGK sind. Insgesamt hebt die Mehrzahl der Definitionen zur OGK den situativen und relationalen Fokus hervor und damit die Bedeutung und Verantwortung von Organisationen bzw. Systemen, um die Anforderungen und Komplexität zu reduzieren und solche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einem höheren Maß an Gesundheitskompetenz bei allen Nutzenden und Akteuren beitragen.
In sieben Schritten zur gesundheitskompetenten Einrichtung: Projekt „EwiKo“ stellt Praxis-Materialien für Krankenhäuser, (Alten-)Pflege und Eingliederungshilfe zur Entwicklung der organisationalen Gesundheitskompetenz bereit!
Im Rahmen des Projekts „Entwicklung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (EwiKo) – ein Kooperationsprojekt der AOK PLUS und der Hochschule Fulda“ (Leitung: Prof. Dr. Katharina Rathmann, Laufzeit: 01.01.2020 – 30.06.2023) sind seit Anfang 2020 zahlreiche praxisanleitende Materialien – d. h. Toolboxen, Selbstchecks, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Übersichten und Praxisleitfäden – für die Entwicklung und Förderung der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung entstanden.
Die Toolboxen und Selbstchecks zur Erfassung der organisationalen Gesundheitskompetenz im Krankenhaus, Einrichtungen der (Alten-)Pflege und Eingliederungshilfe (im Bereich Wohnen und Arbeiten/Werkstätten für Menschen mit Behinderung/WfbM) sowie in Leichter Sprache dienen sind nun verfügbar.
Die Schritt-für-Schritt-Anleitung und Praxisleitfäden zur Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz entlang der acht OGK-Standards sollen Nutzenden bei der leichten Anwendung unterstützen.
Abgerundet wird das Angebot durch zahlreiche Fallbeispiele (inkl. Videos), Checklisten, Vorlagen und Anleitungen sowie die digitale Tool-Datenbank (Link: Tool-Datenbank).
Alle Materialien und Handreichungen sind online abrufbar unter: Materialsammlungen und Veröffentlichungen „EwiKo“-Projekt
Internetseite: https://ewiko-gesundheitskompetenz.de/
Hintergrund und Zielsetzung: Studienergebnisse zeigen, dass sich ein geringes Ausmaß an Gesundheitskompetenz negativ auf die Gesundheit bzw. das Gesundheitsverhalten auswirken, zu häufigeren Krankenhauseinweisungen führen und Folgekosten für die Gesundheitsversorgung verursachen können. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (Krankenhäuser, Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe) können durch gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und zum kompetenten Umgang mit Gesundheitsinformationen ihrer Mitarbeitenden, Patient*innen bzw. Klient*innen beitragen. Dies wird als organisationale Gesundheitskompetenz verstanden und stellt einen wichtigen Bestandteil einer patient*innen-orientierten Versorgung in Gesundheitseinrichtungen dar.
Im Rahmen des Projekts "Entwicklung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung - ein Kooperationsprojekt zwischen der AOK PLUS und der Hochschule Fulda" (EwiKo) wurde eine "Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Entwicklung der organisationalen Gesundheitskompetenz" erstellt. Die "Schritt-für-Schritt-Anleitung" umfasst sieben Schritte, um Maßnahmen zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung umzusetzen. Ziel dabei ist es, Strukturen zu einer nachhaltigen Etablierung der organisationalen Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung aufzubauen und die Gesundheitskompetenz von Leitungspersonen, Mitarbeitenden und Patient*innen bwz. Klient*innen zu verbessern.
Methodik: Im Projekt "EwiKo" erfolgte die (partizipative) Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Maßnahmen zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz in n=6 Einrichtungen der Gessundheitsversorung (n=2 Krankenhäuser, n=2 Einrichtungen der Pflege, n=2 Einrichtungen der Eingliederungshilfe). In Anlehnung an den "Plan-Do-Check-Act" (PDCA)-Zyklus, welcher die Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz bildete, ließen sich sieben Schritte ableiten, die auf dem Weg zur gesundheitskompetenten Einrichtung durchlaufen werden müssen.
Ergebnisse: Zu Beginn erfolgt die "Planung von Maßnahmen" ("Plan"), d.h. die Einrichtungen machen sich mit dem Thema Gesundheitskompetenz vertraut (Schritt 1), bilden eine multiprofessionelle "Arbeitsgruppe (AG) Gesundheitskompetenz" (Schritt 2), führen eine Bedarfserhebung mittels eines (digitalen) Selbstchecks zur Messung der Gesundheitskompetenz durch (Schritt 3) und legen anhand der Ergebnisse des Selbstchecks sog. Handlungsfelder und Ziele zur Stärkung der Gesundheitskompetenz fest (Schritt 4). Daraufhin folgt das "Durchführen von Maßnahmen" ("Do"), d.h. Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz werden in der Einrichtung mittels Praxisleitfäden umgesetzt (Schritt 5). Die umgesetzten Maßnahmen bzw. die Zielerreichung werden durch erneutes Durchführen der Bedarfsprüfung mittels Selbstchecks überprüft ("Check") (Schritt 6). Schließlich werden in Schritt 7 die Maßnahmen angepasst, verstetigt, verbessert oder ggf. wiederholt bzw. neue Maßnahmen umgesetzt ("Act").
Schlussfolgerung: Die "Sieben Schritte zur gesundheitskompetenten Einrichtung" ermöglichen eine bedarfsorientierte und benutzer*innen-freundliche Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Die "Schritt-für-Schritt-Anleitung" befähigt Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, sich strukturiert und schrittweise auf den Weg zur gesundheitskompetenten Einrichtung zu begeben, Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz strategisch zu planen, diese kontinuierlich durchzuführen, zu evaluieren und auf allen Ebenen der Einrichtung nachhaltig zu implementieren.
Hintergrund: Die Corona-Pandemie hat für Menschen mit chronischer Erkrankung
und/oder Behinderung ein erhöhtes Risiko für ihre körperliche und psychische
Gesundheit dargestellt. Für diese Bevölkerungsgruppen ist ein kritischer
Umgang mit digitalen und coronaspezifischen Informationen von zentraler
Bedeutung. Bislang liegen wenig Studien vor, die die Ausprägung der
coronaspezifischen und digitalen Gesundheitskompetenz so-wie die psychische
Gesundheit während der Pandemie untersuchten. Die Studie „Gesundheit und
Gesundheitskompetenz von Menschen mit Beeinträchtigung in Deutschland in
Zeiten der Corona-Pandemie“ (kurz: HeHLDiCo - Health and Health Literacy of
People with Disabilities in Times of the Corona Pandemic) zielt darauf ab,
die digitale (dGK) und coronaspezifische (cGK) Gesundheitskompetenz, das
Suchverhalten nach Informationen sowie die psychische Gesundheit der
Zielgruppe zu analysieren.
Datenbasis und Methodik: Die Datenbasis bildete eine quantitative
Online-Erhebung, die vom 24.02.2021 bis zum 31.05.2021 deutschlandweit
durchgeführt wurde. Die Querschnittstudie richtete sich an Menschen mit
chronischer Erkrankung und/oder Behinderung. Der Feldzugang er-folgte über
die Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe (BAG),
Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) und die Nationale Kontakt- und
Informationsstelle zur Anregung und Unter-stützung von Selbsthilfegruppen
(NAKOS). Es beteiligten sich insgesamt N=1.076 Personen ab dem Alter von 18
Jahren an der Befragung. Der Fragebogen (in Leichter und Alltagssprache)
umfasste Indikatoren zur coronaspezifischen sowie digitalen
Gesundheits-kompetenz, dem Informationssuchverhalten und der psychischen
Gesundheit (coronabedingter Stress, Sorgen, Burnoutgefährdung, Einsamkeit,
Wohlbefinden). Neben soziodemo-grafischen und -ökonomischen Angaben wurden
Merkmale der Behinderung, chronischen Erkrankung und daraus resultierenden
Einschränkungen erfasst. Die statistische Auswertung erfolgte anhand von
deskriptiven und bivariaten Analysen.
Ergebnisse: Die Befragten gaben häufig Schwierigkeiten im Umgang mit
coronaspezifischen (41,3 %) und digitalen Informationen (26,1 %) an.
Insbesondere zeigten sich Schwierigkeiten bei Befragten mit niedrigem
Bildungshintergrund (cGK: 56,3 %; dGK: 32,2 %) und niedrigem subjektiven
Sozialstatus (SSS) (cGK: 54,3 %; dGK: 34,7 %). Die Ergebnisse zur
psychischen Gesundheit (coronabedingter Stress, Sorgen, Burnoutgefährdung,
Einsamkeit, Wohlbefinden) verweisen auf häufige Ausprägungen bei folgenden
Befragten-gruppen: hierzu zählen weibliche Befragte, 18-44jährige, Befragte
mit Einschränkungen durch ihre chronische Erkrankung, Befragte mit niedrigem
subjektiven Sozialstatus sowie Befragte, die kein Mitglied der Selbsthilfe
waren. Daneben zeigten sich deutliche Unter-schiede in der Ausprägung einer
überdurchschnittlich schlechten psychischen Gesundheit in Abhängigkeit von
dem Niveau der Gesundheitskompetenz. Befragte mit einer niedrigen
coronaspezifischen und digitalen Gesundheitskompetenz berichteten deutlich
häufiger von psychischen Gesundheitsproblemen während der Pandemie.
Diskussion: Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die Förderung der
Gesundheitskompetenz und der psychischen Gesundheit von Menschen mit
chronischer Erkrankung und/oder Behinderung wichtig ist, in den Blick zu
nehmen. Die Selbsthilfe kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten, da die
Selbsthilfegruppenleitungen meist eine gute Kenntnis über die
(Lebens-)Situation ihrer Mitglieder haben und daher (individuelle)
Unterstützungs- und Beratungsangebote anbieten können.
Hintergrund und Zielsetzung:
Die Corona-Pandemie ging mit umfangreichen Veränderungen des Alltages an Grund- und weiterführenden Schulen einher und stellte an Menschen deutschlandweit hohe Anforderungen an den Umgang mit Gesundheitsinformationen. Aktuelle Studien deuteten auf ein hohes Belastungserleben und eine psychische Beanspruchung von Schüler*innen, Schulleitungen und Lehrpersonen während der Corona-Pandemie hin. Vor diesem Hintergrund wurde am Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Hochschule Fulda unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Rathmann die Studie zur „Gesundheit und Gesundheitskompetenz von Schüler*innen, Schulleitungs- und Lehrpersonal an hessischen Grund- und weiterführenden Schulen in Zeiten der Corona-Pandemie (GhoStiH)“ durchgeführt. Innerhalb der Studie wurde (1) das Belastungs- und Beanspruchungserleben sowie die Gesundheitskompetenz von Schulleitungen, Lehrpersonen und Schüler*innen an hessischen Grund- und weiterführenden Schulen erfasst. Daneben standen (2) wahrgenommene Veränderungsbedarfe im Hinblick auf Belastungen, Beanspruchungen und die Gesundheitskompetenz von Schulleitungen, Lehrpersonen und Schüler*innen während der Corona-Pandemie im Fokus. Schließlich sollten (3) Handlungsempfehlungen zur Minderung pandemiebedingter Belastungen und Beanspruchungen sowie zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei den Zielgruppen formuliert werden.
Methodik:
Im Rahmen des qualitativen Anteils der Studie wurden im Zeitraum von März bis Mai 2021 n=8 Schüler*innen wie auch n=7 Schulleitungen und n=9 Lehrpersonen mithilfe von problemzentrierten Interviews telefonisch bzw. videogestützt befragt. Die Interviews wurden transkribiert und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse unter Verwendung deduktiver und induktiver Kategorienbildung ausgewertet.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse wiesen auf ein starkes Belastungs- und Beanspruchungserleben der Schüler*innen wie auch des Schulleitungs- und Lehrpersonals während der Corona-Pandemie hin. Fehlende soziale Beziehungen und fehlende Alltagsstrukturen stellten starke Belastungen der Schüler*innen dar und wirkten sich negativ auf die psychische Gesundheit aus. Dabei waren Gefühle der Einsamkeit, Langeweile, Aggressivität und des "Genervtseins“ in allen Gruppen der Schüler*innen präsent. Das Gesundheitsverhalten, wie etwa das Bewegungs- und Ernährungsverhalten, war bei den Schüler*innen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die kritische Beurteilung pandemiespezifischer Gesundheitsinformationen bereitete einem Teil der Schüler*innen Schwierigkeiten, wohingegen das Finden, Verstehen und Anwenden der Informationen weniger problematisch erschien.
Belastungen und Beanspruchungen des Schulleitungs- und Lehrpersonals bezogen sich überwiegend auf die Ebenen der Arbeitsaufgabe, -organisation, -umgebung und das soziale Umfeld während der Corona-Pandemie. Die Interviews deuteten auf eine psychisch-emotionale Beanspruchung des Schulleitungs- und Lehrpersonals während der Corona-Pandemie hin, wohingegen physische Beanspruchungen eine untergeordnete Rolle spielten. Die Mehrheit der Befragten berichtete von einem ausgeprägten Gesundheitsverhalten und einem hohen Gesundheitsbewusstsein. Anhand der Interviews zeigten sich nur wenige Schwierigkeiten des Schulleitungs- und Lehrpersonals im Umgang mit pandemiespezifischen Gesundheitsinformationen, welche überwiegend auf den Kompetenz-Ebenen der Beurteilung und Anwendung zu finden waren. Bedarfe wurden im Hinblick auf schulische Rahmenbedingungen, Kommunikations- und Kooperationsprozesse wie auch auf gesundheitsbezogene Angebote formuliert.
Schlussfolgerungen:
Um das Belastungserleben von Schüler*innen während der Corona-Pandemie und in vergleichbaren Situationen zu senken und einen Beitrag zur Stärkung von Gesundheit und Wohlbefinden zu leisten, wurden vier Handlungsfelder identifiziert. Das erste Handlungsfeld bezieht sich auf eine „Strukturierung des Alltages“, welche während der Corona-Pandemie im Falle vieler Schüler*innen abhandengekommen ist. Als zweites Handlungsfeld wurden “schulische Rahmenbedingungen” identifiziert. Demnach können u. a. einheitliche Regelungen im Distanz-Unterricht, übersichtlich gestaltete Lernplattformen und ein angemessener Workload zu einer Entlastung der Schüler*innen beitragen. Die Bereiche “Kommunikation und soziale Beziehungen” stellten ein drittes Handlungsfeld dar. Schüler*innen sollte trotz andemiebedingter Einschränkungen die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte erleichtert werden, wobei Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte eine unterstützende Funktion einnehmen. Das letzte Handlungsfeld weist auf die Notwendigkeit von Ansätzen zur Stärkung der “Gesundheitskompetenz und des Gesundheitsbewusstseins” bei Schüler*innen aller Altersgruppen hin.
Um zu einer Entlastung des Schulleitungs- und Lehrpersonals während der Corona-Pandemie und in künftigen Ausnahmesituationen beizutragen, wurden drei Handlungsfelder identifiziert. Das erste Handlungsfeld „schulische Rahmenbedingungen“ beinhaltet die Qualifikation von Lehrpersonen im Bereich des Distanzunterrichts, den Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen und deren technischer Ausstattung sowie die Aufstockung personeller Ressourcen. Das zweite Handlungsfeld „Kommunikation und Kooperation“ bezieht sich u. a. auf die Partizipation von Schulleitungen und Lehrpersonen an politischen Entscheiden, auf die Informationsweitergabe und -aufbereitung seitens politischer Akteur*innen sowie auf schulinterne und -externe Austauschmöglichkeiten. Schließlich betont das dritte Handlungsfeld „Prävention und Gesundheitsförderung“ die Relevanz von Aktivitäten zur Förderung der psychischen Gesundheit des Schulleitungs- und Lehrpersonals während der Corona-Pandemie.
Hintergrund:
Die Studie „Gesundheitskompetenz bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in der Grundschule (GeKoS)“ untersucht die Bedeutung der und Möglichkeiten zur Stärkung der Gesundheitskompetenz bei Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in inklusiven Regelschulen und Förderschulen. Ziele der GeKoS-Studie sind: (1) die Bedeutung der Gesundheitskompetenz in Schulen (inklusive Grundschule und Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung) zu ermitteln und (2) Herausforderungen und Bedarfe zur Förderung der Gesundheitskompetenz von Kindern mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in den Schulen zu erfassen. Schließlich stehen (3) Unterschiede zwischen den beiden Schularten bzgl. der Bedeutung und Förderung der Gesundheitskompetenz von Schulkindern mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung im Fokus.
Material und Methoden:
Die Daten wurden in einer qualitativen Primärerhebung leitfadengestützt erhoben. Die Interviews wurden mit N=23 (unterrichtendem) Schulpersonal an N=12 Schulen durchgeführt. Dazu gehörten n=4 Gesundheitsbeauftragte, n=7 Schulleitungen und n=12 Lehrer*innen an n=3 inklusiven Grundschulen und n=9 Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Die Auswertung erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015).
Ergebnisse:
Die Bedeutung der Gesundheitskompetenz gestaltet sich an den Schulen heterogen. Das Finden, Verstehen und Beurteilen von gesundheitsrelevanten Informationen ist an den Schulen weniger relevant. Das Anwenden von Gesundheitsinformationen sowie die funktionalen und interaktiven Kompetenzen haben dagegen einen hohen Stellenwert. Die häufigsten Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe zur Förderung der Gesundheitskompetenz stellen die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten, die wenig angepasste außerschulische Umwelt (z. B. keine barrierefreie Kommunikation im medizinischen Sektor und der Lebensmittelkennzeichnung), ungünstige Personalschlüssel und die geringe Verfügbarkeit von Sonderpädagog*innen insbesondere an den inklusiven Grundschulen dar. Zudem stellen das geringe Wissen um das Konzept der Gesundheitskompetenz und die geringe Verfügbarkeit von zielgruppenadäquaten Materialien zur Förderung der Gesundheitskompetenz Barrieren für die Förderung der Gesundheitskompetenz dar. Die strukturellen Bedingungen der Förderschulen (z. B. gebundener Ganztagsunterricht oder vergleichsweise hohe Personalschlüssel) und die inhaltliche Schwerpunktsetzung (z. B. gemeinsames Einkaufen und Kochen als Unterrichtsinhalt an den Förderschulen) tragen zur Förderung der Gesundheitskompetenz durch die Schulen bei.
Schlussfolgerungen:
Die Ergebnisse der GeKoS-Studie verdeutlichen die Relevanz des Themas und die Bedarfe zur Förderung der Gesundheitskompetenz an den Schulen, in denen Schüler*innen mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung unterrichtet werden. Neben zielgruppenadäquaten Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sind zudem strukturelle Anpassungen der Rahmenbedingungen an den Schulen (z. B. durch höhere Personalschlüssel) und die Gestaltung der außerschulischen Umwelt (z. B. barrierefreie Kommunikation im medizinischen Sektor und der Lebensmittelkennzeichnung) notwendig.
Hintergrund und Zielsetzung: Die Forschung zur Gesundheitskompetenz bei Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Personen dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe gehören häufig einer Selbsthilfegruppe an. Die derzeitige Corona-Pandemie stellt große Herausforderungen an Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung insbesondere im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen und im Zugang zum Gesundheitswesen. Ziel der GeMSeHeCo-Studie ist daher, Erfahrungen im Umgang mit analogen und digitalen Gesundheitsinformationen und das Informationssuchverhalten von Mitgliedern der Selbsthilfe zu erfassen. Auch stehen wahrgenommene Barrieren im Gesundheitswesen vor und während der Corona-Pandemie sowie die Rolle und Unterstützungsmöglichkeiten der Selbsthilfe bei der Suche nach Gesundheitsinformationen und Förderung der (digitalen) Gesundheitskompetenz der Mitglieder im Fokus.
Methodik: Im Rahmen einer qualitativen Primärerhebung wurden bundesweit zwischen Juli bis Oktober 2020 telefonisch leitfadengestützte Interviews mit n=12 Mitgliedern von Selbsthilfegruppen für Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung sowie n=19 Vertreter*innen von Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung geführt. Die Interviews wurden basierend auf der qualitativen strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz mittels der Software MAXQDA ausgewertet.
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Studie weisen auf heterogene Erfahrungen der Vertreter*innen der Selbsthilfe bezüglich der Gesundheitskompetenz ihrer Mitglieder hin. Langjährige Mitglieder weisen gute Kompetenzen im Umgang mit analogen und digitalen Gesundheitsinformationen auf. Wohingegen neue Mitglieder aus Sicht der Vertreter*innen der Selbsthilfe häufiger vor Herausforderungen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Informationen bezüglich der Corona-Pandemie stehen. Als Informationsquelle für Gesundheitsinformationen werden die Verwendung unterschiedlicher allgemeiner (bspw. Austausch mit Expert*innen unterschiedlicher Fach(arzt)disziplinen bei bspw. Kongressen, Vorträgen) und digitaler Quellen (bspw. Seminare im Onlineformat, Webseiten offizieller Stellen wie bspw. des Robert Koch-Instituts) angegeben. Die Suche nach gesundheitsbezogenen Informationen vor und nach dem Arztbesuch kann aus Sicht der Vertreter*innen der Selbsthilfe Auswirkungen auf den Besuch beim Arzt/bei der Ärztin haben. Als positive Auswirkung wird u. a. die Kommunikation auf Augenhöhe zwischen dem ärztlichen Personal und den Patienten*innen berichtet. Als negative Auswirkung wird die häufig fehlende Wertschätzung und Anerkennung der Informationssuche durch die Selbsthilfemitglieder von dem ärztlichen Personal genannt. Die Ergebnisse weisen auf strukturelle und finanzielle Barrieren im Gesundheitswesen sowie Zugangs- und Umweltbarrieren in der Gesundheitsversorgung vor und während der Corona-Pandemie hin. Die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Selbsthilfegruppe und das Angebot von Hilfestellungen wurde als bedeutende Rolle der Selbsthilfe bei der Suche nach Gesundheitsinformationen genannt. Während der Corona-Pandemie wurden von den Vertreter*innen der Selbsthilfe Beratungen über Telefon oder Video sowie die digitale Bereitstellung und Diskussion von Gesundheitsinformationen als Alternative zu physischen Treffen und analogen Gesundheitsinformationen angeboten.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der GeMSeHeCo-Studie heben die Relevanz der Selbsthilfe bei der Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Mitglieder hervor. Während der Corona-Pandemie gilt es besonders auf die individuellen Bedürfnisse, Probleme und Wünsche der Mitglieder einzugehen. Um Menschen mit Beeinträchtigung auch in der Pandemie ausreichend Hilfestellungen im Umgang mit Gesundheitsinformationen anbieten und die Teilhabe an Gesundheit ermöglichen zu können, sind vermehrt digitale Angebote erforderlich. Für Personen innerhalb der Selbsthilfe, die aufgrund ihres Alters, ihrer technischen Ausstattung oder Sprachbarrieren (digitale) Gesundheitsinformationen nur eingeschränkt verstehen und durch webbasierte Angebote nicht erreicht werden können, bedarf es der Unterstützung durch die Selbsthilfe bspw. durch telefonische Kontaktaufnahme und die Übersetzung der erforderlichen Gesundheitsinformationen in bspw. Leichte oder andere Landessprachen.