Hintergrund und Zielsetzung: Die derzeitige Corona-Pandemie bringt seit dem Frühjahr 2020 viele Veränderungen für Menschen weltweit mit sich. Menschen mit Beeinträchtigung, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben und arbeiten, weisen häufig ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf bei der Infektion mit Covid-19 auf und sind in besonderem Maß von den Vorgaben und Einschränkungen während der Corona-Pandemie betroffen. Auch das Fachpersonal in Einrichtungen der Eingliederungshilfe steht seit Beginn der Pandemie vor Herausforderungen. Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Auswirkungen auf die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung. Ziel der TaG-Co-Studie ist es, die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung während der Corona-Pandemie zu untersuchen. Dabei stehen neben den Vorgaben zur Expositionsprophylaxe auch der Umgang mit Gesundheitsinformationen, der Zugang und die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, Präventions- und Gesundheitsangebote, das Ernährungsverhalten und der Substanzmittelkonsum sowie die Gestaltung von Kontakten zu Angehörigen und Bezugspersonen während der Pandemie im Zentrum der Studie. Darüber hinaus wird die Rolle der Fachverbände und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung währende der Corona-Pandemie bei der Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung untersucht.
Methodik: Im Rahmen einer qualitativen Primärerhebung wurden bundesweit (außer Berlin, Bremen, Hamburg und Saarland) leitfadengestützte Telefoninterviews mit n=12 Leitungs- und Fachpersonen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen sowie n=4 Vertreter*innen von Bundes- und Fachverbänden für Menschen mit Beeinträchtigung von November bis Dezember 2020 geführt. Die Interviews wurden mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet.
Ergebnisse: Verordnungen zur Expositionsprophylaxe und Kontaktbeschränkung wurden in den Einrichtungen meist gut umgesetzt; eine permanente Einhaltung der Hygienekonzepte stellte für das Fachpersonal aufgrund der schweren Vereinbarkeit mit den Abläufen der Pflege allerdings eine große Herausforderung dar. In vielen Einrichtungen wurden Gesundheitsinformationen in Bezug auf die Corona-Pandemie in „Krisenteams“ besprochen und in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt. Die meisten Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsangebote wurden während der Corona-Pandemie nicht durchgeführt. Die Einrichtungen berichteten von positiven Veränderungen im Ernährungsverhalten bei den Bewohner*innen aufgrund der Besuchs- und Kontaktbeschränkungen. Es konnten keine Veränderungen des Alkohol- oder Tabakkonsums im stationären Bereich bepbachtet werden. Dagegen zeigte sich im ambulant betreuten Wohnbereich eine Zunahme des Alkohol- und Medikamentenkonsums, insbesondere bei Klient*innen mit psychischen Beeinträchtigungen. Zur Gewährleistung der sozialen Teilhabe ermöglichten die Einrichtungen Alternativen, bspw. Gespräche am offenen Fenster oder digitale Formate (z. B. Skype). Einschränkungen wie die Schließungen der Werkstätten, führten bei einigen Bewohner*innen zu Änderungen des Verhaltens, wie sozialer Rückzug oder unruhiges und aggressives Verhalten. Auf Ebene der Fachverbände wurden neue Formate (bspw. Newsletter oder Fachforen) zur Weiterleitung von Informationen während der Corona-Pandemie geschaffen. Als problematisch thematisierten die Fachverbände, dass die technische Ausstattung der Einrichtungen vielfach nicht ausreichend sei und digitale Angebote nicht genutzt werden können. Während der Pandemie steht der Infektionsschutz der Menschen mit Beeinträchtigung neben dem Austausch mit Bundes- und Landesbehörden im Vordergrund der Arbeit der Fachverbände, in dem u. a. Konzepte zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos entwickelt werden.
Schlussfolgerungen: Auch wenn die Einrichtungen der Eingliederungshilfe die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie auf vielfältige Weise bewältigen, besteht großer Bedarf um die Einrichtungen von Seiten der Fachverbände und der Politik zu unterstützen. Einrichtungsleitungen und Fachpersonal in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung benötigen Konzepte, die aus der Praxiserfahrung heraus entwickelt werden, um die Klient*innen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Darüber hinaus dürfen die sozialen Aspekte der Teilhabe und die individuellen Besonderheiten der Menschen mit Beeinträchtigung nicht vernachlässigt werden. Nur so kann auch während der Corona-Pandemie die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung gewährleistet werden.
Einleitung
Im Nationalen Aktionsplan zur Gesundheitskompetenz (NAP GK, www.nap-gesundheitskompetenz.de) wird die Bedeutung der individuellen Gesundheitskompetenz betont. Zunehmend kommt der organisa-tionalen Gesundheitskompetenz (GK), bei der Förderung der individuellen GK, eine größere Bedeutung zu. Durch die Stärkung der organisationalen GK tragen Einrichtungen bzw. Organisationen durch institutionelle Maßnahmen zur Förderung der GK ihrer Mitarbeiter*innen und Klient*innen bzw. Patient*innen bei. Bislang wurde der Ansatz der gesundheitskompetenten Organisation sowie dessen Umsetzung und Messung in Deutschland nicht auf Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, d. h. Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe und nur teilweise auf Krankenhäuser übertragen und erprobt. Somit sind Ansätze zur Erfassung und Förderung der organisationalen GK in Deutschland noch rar. Übergeordnetes Ziel des Projektes ist die Entwicklung und der Aufbau von Strukturen zur Stärkung der organisationalen GK in Einrichtungen der (teil-)stationären Gesundheitsversorgung (d. h. Krankenhäuser, Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe).
Ziele
Im Zentrum des Beitrages steht die Vorstellung des Projektes sowie die Präsentation der entwickelten Instrumente zur einrichtungsspezifischen Erfassung der organisationalen Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Weiter wird das Vorgehen der partizipativen vertiefenden Bedarfsanalyse zur GK mittels quantitativer und qualitativer Methoden in Piloteinrichtungen vorgestellt, die als Grundlage zur anschließenden Entwicklung von bedarfsorientierten Maßnahmen zur Stärkung der GK dienen.
Methode
Im Rahmen des Projekts erfolgt zunächst eine Ist-Standanalyse zur organisationalen GK in Einrichtungen der (teil-)stationären Gesundheitsversorgung mittels Online-Fragebogen. Hierfür wurden auf Grundlage bereits vorhandener Instrumente zur Erfassung der organisationalen GK drei auf die Einrichtungen Pflege, Eingliederungshilfe und Krankenhaus individualisierte Fragebögen entwickelt. Anschließend wurden diese über Pretests (Think Aloud Technik) in den drei unterschiedlichen Settings auf ihre Funktionsfähigkeit und Qualität überprüft und angepasst. Im weiteren Projektvorgehen wird in Anlehnung an den Intervention-Mapping Ansatz eine partizipativ vertiefende Bedarfsanalyse zur Stärkung der organisationalen GK verschiedener Zielgruppen/Akteure mittels quantitativer und qualitativer Methoden in den Piloteinrichtungen durchgeführt. Darauf werden Interventionen zur Stärkung der GK partizipativ entwickelt, durchgeführt und evaluiert sowie im Nachgang in einen Handlungsleitfaden überführt und zur Verfügung gestellt.
Diskussion
Das Projekt fokussiert den Aufbau von Strukturen und Prozessen hin zu einer gesundheitskompetenten Organisation in den bisher kaum bzw. nur teilweise berücksichtigten Settings der (teil-)stationären Gesundheitsversorgung.