Refine
Document Type
- Working Paper (4) (remove)
Keywords
- Gesundheitskompetenz (2)
- Allianz (1)
- Barrieren (1)
- Behinderung (1)
- Bildung (1)
- Corona-Pandemie (1)
- Gesundheitsförderung und Prävention (1)
- Gesundheitsinformation (1)
- Gesundheitsversorgung (1)
- Organisationsentwicklung (1)
Institute
- Pflege und Gesundheit (4) (remove)
Hintergrund und Zielsetzung: Die Forschung zur Gesundheitskompetenz bei Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Personen dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe gehören häufig einer Selbsthilfegruppe an. Die derzeitige Corona-Pandemie stellt große Herausforderungen an Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung insbesondere im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen und im Zugang zum Gesundheitswesen. Ziel der GeMSeHeCo-Studie ist daher, Erfahrungen im Umgang mit analogen und digitalen Gesundheitsinformationen und das Informationssuchverhalten von Mitgliedern der Selbsthilfe zu erfassen. Auch stehen wahrgenommene Barrieren im Gesundheitswesen vor und während der Corona-Pandemie sowie die Rolle und Unterstützungsmöglichkeiten der Selbsthilfe bei der Suche nach Gesundheitsinformationen und Förderung der (digitalen) Gesundheitskompetenz der Mitglieder im Fokus.
Methodik: Im Rahmen einer qualitativen Primärerhebung wurden bundesweit zwischen Juli bis Oktober 2020 telefonisch leitfadengestützte Interviews mit n=12 Mitgliedern von Selbsthilfegruppen für Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung sowie n=19 Vertreter*innen von Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung geführt. Die Interviews wurden basierend auf der qualitativen strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz mittels der Software MAXQDA ausgewertet.
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Studie weisen auf heterogene Erfahrungen der Vertreter*innen der Selbsthilfe bezüglich der Gesundheitskompetenz ihrer Mitglieder hin. Langjährige Mitglieder weisen gute Kompetenzen im Umgang mit analogen und digitalen Gesundheitsinformationen auf. Wohingegen neue Mitglieder aus Sicht der Vertreter*innen der Selbsthilfe häufiger vor Herausforderungen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Informationen bezüglich der Corona-Pandemie stehen. Als Informationsquelle für Gesundheitsinformationen werden die Verwendung unterschiedlicher allgemeiner (bspw. Austausch mit Expert*innen unterschiedlicher Fach(arzt)disziplinen bei bspw. Kongressen, Vorträgen) und digitaler Quellen (bspw. Seminare im Onlineformat, Webseiten offizieller Stellen wie bspw. des Robert Koch-Instituts) angegeben. Die Suche nach gesundheitsbezogenen Informationen vor und nach dem Arztbesuch kann aus Sicht der Vertreter*innen der Selbsthilfe Auswirkungen auf den Besuch beim Arzt/bei der Ärztin haben. Als positive Auswirkung wird u. a. die Kommunikation auf Augenhöhe zwischen dem ärztlichen Personal und den Patienten*innen berichtet. Als negative Auswirkung wird die häufig fehlende Wertschätzung und Anerkennung der Informationssuche durch die Selbsthilfemitglieder von dem ärztlichen Personal genannt. Die Ergebnisse weisen auf strukturelle und finanzielle Barrieren im Gesundheitswesen sowie Zugangs- und Umweltbarrieren in der Gesundheitsversorgung vor und während der Corona-Pandemie hin. Die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Selbsthilfegruppe und das Angebot von Hilfestellungen wurde als bedeutende Rolle der Selbsthilfe bei der Suche nach Gesundheitsinformationen genannt. Während der Corona-Pandemie wurden von den Vertreter*innen der Selbsthilfe Beratungen über Telefon oder Video sowie die digitale Bereitstellung und Diskussion von Gesundheitsinformationen als Alternative zu physischen Treffen und analogen Gesundheitsinformationen angeboten.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der GeMSeHeCo-Studie heben die Relevanz der Selbsthilfe bei der Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Mitglieder hervor. Während der Corona-Pandemie gilt es besonders auf die individuellen Bedürfnisse, Probleme und Wünsche der Mitglieder einzugehen. Um Menschen mit Beeinträchtigung auch in der Pandemie ausreichend Hilfestellungen im Umgang mit Gesundheitsinformationen anbieten und die Teilhabe an Gesundheit ermöglichen zu können, sind vermehrt digitale Angebote erforderlich. Für Personen innerhalb der Selbsthilfe, die aufgrund ihres Alters, ihrer technischen Ausstattung oder Sprachbarrieren (digitale) Gesundheitsinformationen nur eingeschränkt verstehen und durch webbasierte Angebote nicht erreicht werden können, bedarf es der Unterstützung durch die Selbsthilfe bspw. durch telefonische Kontaktaufnahme und die Übersetzung der erforderlichen Gesundheitsinformationen in bspw. Leichte oder andere Landessprachen.
Gesundheitskompetenz, verstanden als die Fähigkeit des Findens und angemessenen Umgangs mit gesundheitsbezogenen Informationen, kann als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts verstanden werden. Angesichts der Informationsvielfalt und ihrer Bedeutung für die Erhaltung und Förderung von Gesundheit, sollte Gesundheitskompetenz möglichst früh im Lebenslauf und bereits in der Schule entwickelt und gefördert werden. Auf Basis eines nationalen Workshops mit Akteuren aus Wissenschaft, Praxis und Politik wird in dem vorliegenden Papier eine Vision zur Entwicklung von 100 Leuchtturmschulen bis zum Jahr 2025 entworfen. Diese Vision stellt der Ausgangspunkt einer neu gegründeten nationalen Allianz Gesundheitskompetenz und Schule dar.
In der internationalen Literatur ist ein enger Zusammenhang zwischen einer guten Personalausstattung in der stationären Krankenhauspflege und einer qualitativ hochwertigen Versorgung gut dokumentiert. Die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten in Kliniken mit einer besseren Ausstattung an qualifizierten Pflegekräften ist niedriger als in Kliniken mit einer geringeren Personalausstattung in der Pflege. Außerdem kann eine gute Personalausstattung in der Pflege entscheidend zur Vermeidung von Stürzen beitragen. Umgekehrt gibt es starke Anzeichen dafür, dass eine niedrige Personalausstattung Fehler bei der Medikation begünstigt und die Gefahr von Infektionen im Krankenhaus erhöht. Zudem sinkt bei einer guten Personalausstattung die vom Pflegpersonal subjektiv empfundene Unterversorgung. Die Situation in der stationären Versorgung in Deutschland ist seit 1996 jedoch davon gekennzeichnet, dass sich die Personalausstattung in der Pflege bei deutlich steigenden Anforderungen kontinuierlich verschlechtert hat. Vor dem Hintergrund der internationalen Evidenz gefährden dieser anhaltende Trend und die daraus resultierende Arbeitsverdichtung für die Pflegenden die Qualität der Versorgung und die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.
Es besteht akuter Handlungsbedarf, damit eine verbesserte Personalausstattung in den Krankenhäusern, Abteilungen und Stationen schnell wirksam werden kann. Die Gutachter schlagen daher folgendes Maßnahmenpaket vor – den „Pakt für gute Pflege“. Erstens erklären die Bundesländer die ehemals an allen Akutkliniken geltende Pflegepersonal-Regelung (PPR) als Instrument zur Berechnung der Personalmindestausstattung mit Wirkung vom 1. Januar 2015 für verbindlich. Die Bundesländer überwachen außerdem die Einhaltung der auf der Grundlage der PPR errechneten Personalmindestausstattung in den Krankenhäusern des jeweiligen Landes und veröffentlichen sowohl die IST- als auch die SOLL-Personalausstattung an den jeweiligen Kliniken. Die Bundesländer tragen zweitens ein Drittel des notwendigen Finanzbedarfs, indem sie sich verpflichten, die Finanzierung der Investitionen in den Jahren 2015 bis 2017 zu erhöhen. Die Kostenträger finanzieren ein weiteres Drittel des notwendigen Finanzbedarfs über eine Erhöhung der jeweiligen Landesbasisfallwerte. Durch die Überwachungsfunktion der Bundesländer muss sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Mittel auch für die Einhaltung der Personalmindeststandards in der Pflege verwendet werden. Die Kliniken finanzieren das verbleibende Drittel des notwendigen Finanzbedarfs durch interne Umschichtungen bzw. Effizienzsteigerungen. Kliniken, die schon heute quer zum landesweiten Trend eine hinreichende Personalausstattung in der Pflege aufgebaut haben, müssen so einen geringeren Finanzierungsanteil tragen als solche Kliniken, die einen unterdurchschnittlichen Personalbestand vorhalten. Während eines Übergangszeitraums von drei Jahren muss ein optimiertes Instrument zur objektiven Ermittlung des Pflege- und Personalbedarfs entwickelt werden, mit dessen Hilfe die Personalausstattung in der Pflege dauerhaft verbessert wird.
Die Anforderungen an die stationäre Pflege in Pflegeheimen haben sich in der jüngeren Vergangenheit massiv verschärft. Zudem wird die Zahl der Pflegebedürftigen mit stationärem Versorgungbedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch weiter deutlich zunehmen. In der Vergangenheit konnte ein bescheidener Personalaufwuchs den gestiegenen Pflegebedarf nur teilweise kompensieren. Die verschlechterten Betreuungsrelationen und die moderat gesunkene Fachkraftquote weisen auf steigende Belastungen für die Beschäftigten und Gefahren für die Pflegequalität in Pflegeheimen hin.
Die Empirie aus den USA zu den Auswirkungen gesetzlicher Personalbemessung zeigt, dass positive Effekte auf die Pflegequalität vor allem durch die Neueinstellung von Pflegefachkräften entstehen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Einrichtungen zur Erfüllung der Mindeststandards in die Neueinstellung von Pflegehilfskräften investieren. Die Entwicklung der Mindeststandards zur Personalbemessung in den USA ist aus deutscher Sicht insofern vorbildhaft, als dass zumindest die Empfehlungen auf der vorliegenden Evidenz und auf der Basis umfangreichen Datenmaterials zum Zusammenhang von Personalausstattung und Pflegequalität beruhen. Die Mindeststandards in den einzelnen Bundesstaaten liegen teilweise deutlich unter diesen Empfehlungen – was durch politische und finanzielle Restriktionen erklärbar sein dürfte.
Grundsätzlich es zu begrüßen, dass mit dem PSG II der Gesetzgeber in Deutschland erstmals die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen normiert. Die derzeitigen Reglungen sind in diesem Zusammenhang völlig ungenügend. Alleine die Entwicklung eines wissenschaftlich validierten Verfahrens zur Personalbemessung wird jedoch weder die Personalausstattung in den Einrichtungen erhöhen noch die Pflegequalität verbessern. Dazu müssten erstens die zuständigen Behörden in den Bundesländern dazu verpflichtet werden, die Einhaltung des postulierten Personalbedarfs zu überprüfen und ggf. auch zu sanktionieren. Zweitens müssten verschärfte Standards in der Personalbemessung daher hinreichend Berücksichtigung in den Pflegesatzverhandlungen zwischen Einrichtungen und Kostenträgern finden. Drittens ist die Einheitlichkeit der Umsetzung in den Bundesländern eine wichtige Voraussetzung für die Festlegung von Mindeststandards zur Personalbemessung, um einen sachlich nicht zu rechtfertigenden „Flickenteppich“ von landesgesetzlichen Reglungen zu verhindern.
Ausgesprochen problematisch ist aus gutachterlicher Sicht jedoch, dass selbst bei einem fristgerechten Abschluss des Verfahrens ein System zur Personalbemessung erst am 30. Juni 2020 vorliegen wird. Dieser lange Übergangszeitraum ist vor dem Hintergrund der Personalsituation in den Pflegeeinrichtungen, der damit verbundenen Belastungen für die Pflegekräfte und der resultierenden Gefährdung der Pflegequalität nicht akzeptabel. Daher wird vorgeschlagen, dass der mit dem Pflegestärkungsgesetz I eingerichtete Pflegevorsorgefonds in einen Pflegepersonalfonds umgewidmet wird.
Der Pflegepersonalfonds übernimmt im Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2020 die Finanzierung für nachweisbar nach dem 1. Januar 2016 neu eingestelltes Personal in der direkten Pflege in stationären Pflegeeinrichtungen. Die Einrichtung des Pflegepersonalfonds würde ein deutliches Signal senden, dass der Finanzierung einer hinreichenden Personalausstattung in Pflegeheimen eine hohe gesellschaftliche Priorität zukommt, was wiederum einen positiven Effekt auf die Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe mit sich bringen dürfte. Zudem würden die Träger von Pflegeeinrichtungen finanziellen Spielraum gewinnen, um eine ohnehin dringend notwendige Verbesserung der Gehälter in der stationären Pflege finanzieren zu können.